Flexibles Beitragsmodell

Hier möchte ich dir meine Gedanken zum flexiblen Beitragsmodell für das Ehrlich/Sein Sommer Retreat mitteilen.

Ich möchte, dass meine Seminare leistbar sind, das heisst, dass deine finanzielle Situation dich möglichst wenig einschränkt teilnehmen zu können. Und ich möchte für meine direkte und indirekte Arbeit angemessen honoriert werden, damit ich (und die weiteren Menschen, für die ich finanziell Verantwortlich bin) ein gutes Leben führen können.

Meine Wunsch und meine Hoffnung ist, dass das flexible Beitragsmodell zu mehr Fairness (Ausgleich finanzieller Ungleichheiten), Bewusstsein sowie Selbst-verantwortung und -einschätzung führt. Also im Endeffekt zu mehr Gefühl von Gemeinschaft als Gegenwurf zum eklatanten Individualismus unserer westlichen Gesellschaft.

Meine Befürchtung ist, dass ich dich mit meinen Gedanken überfordere, oder dass du bewusst oder unbewusst an einer Teilnahme zu zweifeln beginnst – vielleicht weil du gewohnt bist, einen fixen Beitrag zu zahlen und dir da nicht zu viel Gedanken zu machen, oder weil du an der Qualität meiner Arbeit zweifelst, wenn ich diese “zu günstig” anbiete.

Wie dem auch sei. Irgendwie ist mir dieses Thema ein Anliegen. Ich will also weiter darüber reden und mich damit ausprobieren. Jetzt habe ich schon mal gestartet, also fahre ich hier fort.

Gift-Economics & Dāna

Modelle wie die Gift-Economy sind in meinen Augen ein erstrebenswertes Ziel. (Charles Eisenstein hat hierzu einen spannenden Artikel und auch ein Buch mit dem Titel “Sacred Economics” geschrieben)

In der buddhistischen Tradition etwa wird von Dāna gesprochen:  “etwas, das gegeben wird, ohne eine Gegenleistung zu erwarten” bzw. das “Geschenk der Energie und Weisheit an andere”. Oftmals wird hierzu gesagt, dass “der Wert einer (spirituellen) Lehre nicht mit Geld bemessen werden kann”. Am liebsten würde ich es so halten, dass jeder das gibt, was er kann – und darauf vertrauen, dass am Ende ausreichend herauskommt.

Doch leider habe ich mit flexiblen Zahlungsmodellen bis dato wenig gute Erfahrungen gemacht. Wann auch immer ich freie Spende oder ein “Sliding-Scale” angeboten habe, waren die Zahlungen in Summe am untersten Spektrum, haben Teilnehmer:innen teilweise gar nicht bezahlt und/oder sich über die Preise beschwert.

Damit Konzepte wie Gift-Economy und Dāna funktionieren ist es in meinen Augen von Nöten, dass alle involvierten eine gemeinsame Kultur und Verständnis rund um die Honorierung von Lehrer:innen haben. Im Osten ist dies insbesondere für spirituelle Lehrer gegeben. In unseren Breitengraden hingegen scheint mir die freie Wertschätzung nicht ganz so ausgeprägt. Vielleicht sind wir es zu sehr gewohnt, fixe Kosten vorgesetzt zu bekommen, und nach Möglichkeit nach den günstigsten Möglichkeiten zu suchen. Das hat vermutlich etwas mit unserem generell übertriebenen Individualismus zu tun.

Dementsprechend haben es Organisationen, die in dieser Richtung bereits Kulturarbeit geleistet haben und damit bei ihren Teilnehmer:innen ein gewisses Verständnis für das freie Geben geschaffen haben leichter. Ich denke da beispielsweise an die Pioneers of Change. Größere Organisationen haben es ohnehin einfacher als “Einzelkämpfer”, da sie Gelder verschiedener Projekte und Geber:innen verteilen können, gebündeltes Marketing betreiben können, Aufgaben besser verteilen können und eventuell Kapazitäten für das Einholen von Förderungen haben etc.

Ist “Pay-it-Forward” die Lösung?

Bei den Pioneers of Change ist mir das “Pay-it-Forward” Konzept untergekommen: soll heissen, dass das Seminar schon bezahlt ist und du nicht für dich, sondern für zukünftige Teilnehmer:innen bezahlst. Ein bisschen wie der Generationenvertrag in unserem Pensionssystem.

Das klingt sehr schön und der Gedanke führt bei mir zu einem wohligen “Gemeinschaftsgefühl”. Gleichzeitig denke ich mir, dass das auf gewisser Ebenen ein Marketing-Bullshit ist. Das heisst ja nur, dass ich als Veranstalter in Vorleistung gehe – das Seminar also veranstalte, egal wieviele Menschen zahlen – aber aus meiner Erfahrung weiss, dass schon genügend Menschen zahlen werden, damit es sich rentiert.

Das ist nichts anderes als ein ganz gewöhnliches Produkt auf den Markt zu bringen und dann dafür bezahlt werden. Wenn ich ein Handy entwerfe, produziere und dann verkaufe, muss ich als Anbieter ja auch in Vorleistung gehen, rechne aber damit, dass nachträglich genügend Menschen zahlen werden, damit sich das rentiert. Das ist mein unternehmerisches Risiko. Risiko auf diese Weise können größere Unternehmen mit externer Finanzierung leichter als einzelne Personen.

Pay-it-Forward (und ähnliche Konzepte) sind in meinen Augen also keine Wahre Gift-Economy, sondern eher Marketing-Gags.

Oder vielleicht Subscriptions?

Die Idee von Subscriptions, wo die Fanbase flexible(?) monatliche Beiträge zahlt und damit Anbieter (oftmals Künstler oder Content-Creators) damit die Möglichkeit haben, ihre Inhalte relativ frei und ungebunden an direkte Zahlungen zu erstellen scheint mir ein gutes Modell, dass die direkte Verbindung von Zahlung und Empfang zu entkoppeln.

Jedoch braucht es für so ein Modell eine große Anzahl an regelmäßig zahlenden “Fans”. Das ist also nur für Anbieter mit einer recht großen Reichweite denkbar.

Ausserdem bietet sich ein Subscription Modell eher für Content-Creators als für Menschen die direkt mit Menschen arbeiten an (Workshopleiter, Coaches, etc.).

Ausserdem sind die Inhalte ja meist doch wieder hinter Paywalls versteckt. Also wirkliche Gift-Economy ist das nicht.

Ein ehrliches Mischmodel?

Bei dem Sommer Retreat versuche ich also ein ehrliches und transparentes Mischmodel. Einen fixen Grundbeitrag, der versichert dass das Retreat stattfinden kann und einen flexiblen Wertschätzungsbeitrag, mit dem du die Möglichkeit hast, zu geben, was du in deiner finanziellen Situation und für deine Erfahrung des Retreats – deinen Mehrwert – für angemessen hältst.

Ich gebe dir dabei noch einen Richtwert mit, nämlich die Verdoppelung des Grundbeitrags, damit du eine ungefähre Einschätzung dafür hast wieviel diese Art von Seminar normalerweise kostet.

Ich vergleiche mein Sommer Retreat dabei mit Radical Honesty Retreats und Workshops. Vergleiche sind natürlich schwierig, da die Bedingungen überall unterschiedlich ausfallen. Ich denke da an Faktoren wie Unterkunft, Reisekosten, Anzahl der Workshopleiter:innen, etc.

RH Wochenendworkshops haben im Schnitt einen Tagessatz von 175€. Retreats rangieren von 95€ – 180€. Beides exklusive Unterkunft und Verpflegung.

Mein Sommer Retreat hätte bei 560€ Seminarbeitrag (verdoppelter Grundbeitrag) einen Tagessatz von 93€. Basierend auf meiner Erfahrung mit Sliding-Scale Preismodellen, wird die Durchschnittsumme jedoch geringer ausfallen.


Ich habe auch noch einen Text über die “versteckten Kosten von Seminaren” geschrieben. Der war hier inkludiert, ist aber etwas länger daher verschiebe ich ihn auf eine eigene Seite.

So. Jetzt habe ich dieses Thema für mich vorerst erschöpft. Ich bin gespannt, wie sich meine Arbeit in dieser Hinsicht weiter gestaltet.

Und wenn du mir etwas zu dem Thema sagen magst, schreib mir doch: hello@seangreen.at

Alles Liebe,
Sean.